Die unzähligen Bakterien im menschlichen Darm sind weit mehr als Verdauungshelfer. Sie stärken das Immunsystem, unterstützen die Bildung von Vitaminen und schützen vor Übergewicht. Es lohnt sich, die Darmflora bewusst zu stärken.
Im Moment verkaufen sich Bücher über die Darmgesundheit wie frische Brötchen. Mag sein, dass es wirklich so schlecht steht mit unserem Darm. Vielleicht bringt uns das Sich-mit-dem-Darm-befassen einfach auch zurück in unser Zentrum, an den Nabel unseres Seins. Während man lange Zeit den Darm eher als Transportkanal zwischen Mund und After betrachtet hatte, ist heute klar, dass der Darm wesentlich vielschichtiger ist als bisher angenommen. Unzählige Mikroorganismen zersetzen im Darm die Nahrung und helfen bei der Verdauung. Bei den kleinen Helfern handelt es sich um Bakterien, welche die Flora des Darms bilden. Flora leitet sich von der römischen Göttin der Blumen und der Jugend ab. Da Pilze und Bakterien lange Zeit zum Pflanzenreich gezählt haben, spricht man von der Darmflora, wenn der Lebensraum der dort angesiedelten Bakterien gemeint ist. Sie tragen eindrucksvolle Namen wie Bifidobakterium animalis oder Lactobacilllus acisophillus. In den letzten Jahren wurde viel geforscht in Bezug auf den
Darm und dessen Bakterienvielfalt. Man weiss inzwischen, dass der menschliche Körper zahlenmässig zehn Mal mehr Bakterien enthält, als körpereigene Zellen. Die Bakterien gehören zum persönlichen Ökosystem und besiedeln den Bauchnabel, tummeln sich hinter dem Ohr, unter den Nägeln und vor Allem im Darm. Ganze zwei Kilogramm des eigenen Körpergewichtes sollen allein die Kleinstlebewesen im Darm ausmachen. Eine unvorstellbare Zahl. Im und auf unserem Körper befinden sich wesentlich mehr Bakterien und Kleinstlebewesen als körpereigene Zellen. Oder etwas salopp ausgedrückt: Wir sind nichts anderes als ein Bakterienhaufen, der unsere Gesundheit und unser Dasein entscheidend prägt. Ganz individuell. Denn die Bakterienflora ist, genauso wie der Fingerabdruck, bei jedem Mensch anders.
Wichtig für den ganzen Körper
Beim frisch geborenen Säugling ist der Darm noch unbesiedelt. Im Geburtskanal kommt er das erste mal in Kontakt mit der Bakterienflora der Mutter, jedenfalls bei einer natürlichen Geburt. Es dauert ungefähr drei Jahre, bis sich die Darmflora vollständig aufgebaut hat. Danach übernimmt die Darmflora wichtige Verdauungsfunktionen, regt die Darmbewegung an und transportiert Nähr und Abwehrstoffe. Mit Hilfe der Darmflora werden auch viele Vitamine gebildet, wie zum Beispiel Vitamin B12 und Folsäure. Gemäss neueren Studien kann man darauf schliessen, dass die Darmbakterien einen Einfluss auf das Glückshormon Serotonin haben und ein gesunder Darm somit für Zufriedenheit sorgt. Da die Bakterien ständig Gene untereinander austauschen, ist die mikrobielle Vielfalt im Darm enorm wichtig für die menschliche Gesundheit. Eine Forschungsgruppe verglich die Bakteriendichte von verschiedenen Völkerstämmen. Dabei zeigte sich, dass sich, im Vergleich zu Ureinwohnern in Afrika und Südamerika, die Bakterienvielfalt von Kindern in städtischen Regionen auf tieferem Niveau einpendelt. Was über die Jahre hinweg die Gesundheit beeinträchtigen kann. Eine nicht ausgewogene Darmflora kann zu Entzündungsreaktionen oder gar kleinen Löchern (Leaky gut) im Darm führen, Übergewicht, Allergien, Hautprobleme und Nahrungsunverträglichkeiten begünstigen, Diabetes oder Herz-Kreislauferkrankungen hervorrufen. Das die eher schlechte Nachricht. Die gute Nachricht ist: Es liegt in unserer Macht, dies zu beeinlussen. Die mikrobielle Vielfalt kann jeder von uns jeden Tag mit seiner Ernährungsweise verändern. Am besten mit pflanzlichen Eiweissen und ballaststoffreicher Nahrung. Hingegen weniger Fleisch, weniger Eier und weniger Zucker. Allein durch diese Massnahmen kann die Darmflora reichhaltiger, abwechslungsreicher und gesünder wer den.
Freunde und Feinde der Darmflora
Wer wissen möchte, wie es um die eigene Darmflora steht, kann eine Stuhlanalyse durchführen lassen. Oft reicht aber schon ein Blick in den Kühlschrank oder Vorratsschrank um das eigene Verhalten zu reflektieren. Fertigprodukte, Konservierungsmittel, Zucker, hochraffinierte Weissmehlprodukte und fleischlastige Kost versorgen die kleinen Helfer im Darm nur ungenügend mit dem, was sie wirklich brauchen. Auch nach der Einnahme von Antibiotika, Abführmitteln und Magensäureblocker sollte man die Darmflora wieder aufbauen, ebenso nach stressreichen Zeiten oder nach feucht-fröhlichen Anlässen. Um die Darmflora bestmöglich zu unterstützen, füllen Sie den Kühlschrank am besten mit Gemüse in allen Farben und Formen. Backen Sie selber ein Vollkornbrot, essen Sie statt Fleisch eine Schale Hülsenfrüchte und knabbern Sie zwischendurch anstelle von Schokolade getrocknete Feigen oder Nüsse. Denn die Bakterien im Darm lieben Nahrungsfasern, Omega-3-Fettsäuren und Gemüse. 30 Gramm Nahrungsfasern sollten wir gemäss Schweizer Ernährungsgesellschaft täglich zu uns nehmen. Mit ausreichend Gemüse schafft man das. Aber eben nur, wenn alles Andere Beilage ist.
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